Tradition ist nicht Aufbewahren der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers!
(nach Gustav Mahler, Sinfoniker, 1860-1911)

Eine dieser wertvollen Traditionen an unserer Schule ist das Kerzenziehen.
Die Kerze besteht aus Bienenwachs. Die Bienen (oder der Bien, wie es in alten Zeiten hieß) sind das Tiervolk, welches dem Menschen in seiner Lebens- und Arbeitsweise am ähnlichsten ist. Sie galten sogar als heilig! Der Docht ist aus Baumwolle - ein organisches Material. Es gibt ein „Oben“ und ein „Unten“. Dreht man den Docht falsch herum, brennt die Kerze nicht. Auch wir stehen sicherer auf den Füßen als auf dem Kopf.

Beim eigentlichen Vorgang des Kerzenziehens tunkt man den Docht in das warme Wachs und hebt bzw. zieht den Docht hoch oder heraus - er wird zur Aufrichte „erzogen“. Die fertige Kerze soll ja schön gerade da stehen. Im wahrsten Sinne des Wortes kerzengerade! Bei jedem Tauchgang nimmt sie an Umfang zu, bis sein Träger mit ihrer Gestalt zufrieden ist.

Es ist ein mühevoller Prozess, laufen doch die Träger Runde um Runde im Raum umher, um die Schichten abkühlen zu lassen. Dabei ist aber vieles zu beobachten. Nämlich, dass die Träger des Dochtes behutsam gehen, langsam, fast würdevoll. Nicht selten halten ihre Träger sogar noch schützend die Hand um den Docht und gehen vornübergebeugt, in einer liebevollen Geste!
Und das um einen Baumwollfaden …

Im Unterbewusstsein schwingt aber vieles mehr mit - der Docht, eben dieser dünne, weiße Faden ist die Seele ... scheinbar nicht nur der Kerze.

Je dichter die Wachsschicht um den Docht „gewachsen“ ist (wie wunderbar die Wörter „Wachs“ und „wachsen“ hier zusammen passen), umso aufgerichteter geht sein Träger, um nun auch zielstrebiger zum Wachskessel zu gelangen. Am Ende, wenn die Kerze fertig in Form und Größe ist, wird sie zum Mitnehmen in ein Papier gerollt. Ein Strahlen, welches sich durchaus mit dem Erstrahlen der Kerze vergleichen lässt, ist auf jedem Antlitz zu erkennen.

... und ganz sicher erwachen bei jedem Entzünden einer Bienenwachskerze alte Erinnerungen wieder …