Einschulung

Jedes Lebensalter ist geprägt von der Wirkung bestimmter Kräfte und Entwicklungen.

Das Baby- und Kleinkindalter dient dem werdenden Menschen, sich in erster Linie die Sprache und die Koordination des Bewegungsapparates zu erobern. Damit einher gehen die Ausgestaltung der inneren Organe, der Muskeln, der Nerven und des Knochengerüstes. Ist dieser Prozess abgeschlossen, zeigt sich das unter anderem äußerlich im Zahnwechsel. Auch die Knochen als eine der härtesten Bausubstanzen unseres Körpers sind nun in ihrer Gestalt fertig geformt. Der Austausch der Milchzähne mit den bleibenden Zähnen zeigt uns den Eintritt des Kindes in diese Phase. Der Körper ist ausgestaltet und muss vereinfacht gesagt „nur“ noch wachsen.

Die plastischen Kräfte der beschriebenen Ausgestaltung sind nun quasi freigestellt und stehen dem Kind seelisch als Vorstellungskraft und Denk-Beweglichkeit zur Verfügung.

Natürlich denkt auch das Nicht-Schulkind. Dieses Denken lässt sich gerne von wechselnden Reizen lenken, es wird noch nicht stringent festgehalten. Es kann noch leicht von einem zum anderen springen, wenn wir dem Kind dieses eigentlich gesunde und natürliche Recht zur vermeintlichen „Unkonzentriertheit“ zugestehen.

Die oben beschriebenen frei gewordenen Formkräfte befähigen das Kind nun zunehmend, sein Gedankenleben zu ordnen und sich längerfristig und gezielt denkerisch mit Inhalten zu beschäftigen. Das bedeutet schulisches Lernen und wiederholendes Üben sind jetzt passende Formen für die altersgemäße Entwicklung eines gesunden und lebendigen Vorstellungslebens.

Bei unserer Schuluntersuchung der für die 1. Klasse angemeldeten Kinder schauen wir, ob dieser Reifeprozess wahrzunehmen ist. Die Klassiker Zahnwechsel, mit Hand über dem Kopf am Ohr zupfen und Schleife binden sind hinlänglich bekannt. Die Bedeutung des Zahnwechsels wurde beschrieben. Der „Ohrzupfer“ zeigt, ob schon eine Ausgewogenheit zwischen Kopfgröße und Armlänge als ein weiteres körperliches Merkmal der Ausgestaltung erreicht ist. Das Schleifebinden zeigt einen koordinierten Überkreuz-Ablauf, der aber im Zeitalter der Klettverschlüsse immer weniger anzuwenden ist.

Der Hintergrund einer dem Kinde dienlichen Schulreifeuntersuchung ist es festzustellen, ob die plastischen Kräfte noch mit der Körpergestaltung beschäftigt sind. Für eine gedeihliche und kräftigende Entwicklung ist es wichtig, diese Kräfte nicht vorzeitig in den Bereich des Vorstellung-Bildens abzuziehen.

Uns geht es nicht um ein Abhaken einzelner Kriterien. Wir machen mit dem Kind eine Vielzahl kleiner Beschäftigungen, um ein Gesamtbild von Bewegung, Betätigung der Sinne und des kindlichen Vorstellungsvermögens zu erhalten. Erst aus dem gesamten Mosaik entsteht ein Bild, wo das Kind in seinem Reifeprozess steht. Es geht überhaupt nicht um das Bestehen einer Prüfung.

Also: Keine Angst, wenn die Zähne noch nicht wackeln!